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Christoph Werner: Der Bronstein-Defekt

...und andere Geschichten

Die Broihanschenke

Die Broihanschenke

Christoph Werner

Foto: Christoph Werner
Foto: Christoph Werner

Es gab, meine Leserinnen und Leser, für uns Schulkinder in den frühen fünfziger Jahren im Winter kein größeres Vergnügen, als an der zwischen Ammendorf und Beesen im Süden von Halle hoch am Hang gelegenen Broihanschenke den Berg hinunter zur Schafsbrücke zu „glandern", wie es auf hallisch (oder hallesch) heißt. Besonders gut gelang das denen unter uns, die keine Schuhe hatten, sondern Holzpantoffeln, die auf dem glattgeschlitterten, vereisten Schnee besonders gut rutschten. Ich beneidete meine Klassenkameraden damals um diese Holzpantoffeln und ahnte nicht, dass sie schlicht zu arm waren, um sich Lederschuhe zu leisten. Meine hatte ich immerhin von meinem älteren Bruder übernommen.

Natürlich machte sich keiner von uns Gedanken über den Namen Broihanschenke, in der sich damals ein Kindergarten befand. Erst sehr viel später, als Erwachsener, erfuhr ich, was es mit dem Broihan für eine Bewandtnis hatte, und das es ein seinerzeit beliebtes obergäriges Bier war, das es heute nur noch selten gibt. (Obergärige Hefe arbeitet bei Temperaturen zwischen 15 und 20 Grad, untergärige bei Temperaturen zwischen 4 und 9 Grad).

Schultze-Galléra (s.u.) berichtet, dass die halleschen Studenten dem Broihan sehr zugetan waren, wodurch es im Gasthof zum Grünen Hof am 1. April 1716 zu einer Affäre kam, in deren Verlauf jeder der 20 Studenten „30 Maß Bryhan in una serie in die Kehle zu gießen sich verschworen. 13 Menschen erlagen dieser Völlerei und der Wollust, der dabei gefrönt wurde."

Die nach der Biersorte benannte Schenke in Ammendorf galt als bevorzugtes studentisches Ausflugslokal. Nach einem Streit mit dem Universitätskurator zog fast die gesamte Studentenschaft am 7. Februar 1822 zur Broyhanschenke. Die Universität gab klein bei und nach drei Tagen des reichlichen Genusses von Broihan kehrten die streikenden Musensöhne wieder von Ammendorf nach Halle zurück.

Nach Jahren des Verfalls haben sich tatkräftige und unternehmungsmutige Menschen der Broihanschenke angenommen. Sie ist zu größten Teilen renoviert, bietet Interessenten den „Partyservice der Broihanschenke" an und wird nach Erteilung der entsprechenden Genehmigungen sicher auch wieder Broihanbier ausschenken.

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Literatur:

Schultze-Galléra, Dr. Siegmar Baron von. 1921. Wanderungen durch den Saalkreis
Werner, Christoph. „Seifert", in: Der Bronstein-Defekt und andere Geschichten. 2001. Hildesheim: Cambria Verlag. Vertrieb durch Bertuch-Verlag Weimar
www.broihanschenke.de
www.Ammendorf.de (Die Website der Ammendorfer Heimatfreunde)

 

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